Die Große Eigenblutbehandlung mit Ozon oder die Dosis macht das Gift
Ozon ist als 3-atomige Sauerstoffverbindung eine energiereiche Form des normalen atmosphärischen Sauerstoffs O2. Aufgrund seiner stark desinfizierenden Wirkungen und seiner starken Oxidationskraft wird es zum Beispiel weltweit zur Wasserentkeimung und zur Trinkwasseraufbereitung eingesetzt, da es stark gegen Viren, Bakterien und Pilze wirkt. Für die Atmungsorgane ist es schädlich und darf nicht über einen längeren Zeitraum eingeatmet werden, es treten Schleimhautreizungen, verstärkter Hustenreiz und eine Verschlechterung der Lungenfunktion auf.
Und das geben wir bei der Grossen Eigenblutbehandlung mit Ozon ins Blut? Nein.
Ozon wurde 1840 von Christian Schönbein entdeckt. Im ersten Weltkrieg wurde es von A. Wolff zu lokalen Wundbehandlungen eingesetzt. Parallel dazu wurde das „Ozonklistier“ bei infektiösen Darmerkrankungen von Aubourg entwickelt. Die desinfizierende Wirkung des Ozons ist also schon über 100 Jahre bekannt, genauere Kenntnisse der pharmakologischen und biochemischen Eigenschaften sind jüngeren Datums. Die Studien, die in den 1970iger Jahren publiziert wurden, zeigten erste Ergebnisse zur Immunaktivierung, einen echten Durchbruch in der Ozontherapie erzielten Bocci et al 1990 mit dem Nachweis von Ozoneffekten auf immunkompetente Zellen (Induktion von Zytokinen wie Interferon-Beta und Interkeukin 2 durch eine extrakorporale Blutbehandlung), also durch eine direkte Wirkung des Ozons auf das Immunsystem.
Was also macht das Ozon genau und wie und wann setzen wir es ein?
Die Sauerstoffversorgung wird verbessert, da eine Aktivierung des Stoffwechsels der roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Körper verantwortlich sind, angeregt wird. Die Zunahme eines bestimmten Botenstoffes (2,3-Diphosphatglyzerat) erleichtert die Sauerstoffabgabe an das Gewebe. Hieraus erschliessen sich Durchblutungsstörungen als grosses Einsatzgebiet, z.B.periphere arteriellen Durchblutungsstörungen unterschiedlicher Ursache.
Für uns in der Praxis ist vor allem seit Corona die Aktivierung des Immunsystems im Rahmen einer grossen Eigenblutbehandlung mit Ozon von Interesse. Wie geschieht das?
Zunächst wird dem Patienten 50-100ml Blut aus einer Vene entnommen. Dieses Blut wird mit einem Ozon-Sauerstoffgemisch durchperlt. Hierfür werden sehr geringe Mengen Ozon- und hierauf liegt die Betonung-gebraucht. Der Bereich des Niedrigdosiskonzeptes bewegt sich zwischen 15 und 25 Mikrogramm Ozon/ml des Ozon-Sauerstoffgemisches. In dem Augenblick, in dem das Ozon das entnommene Blut durchperlt, beginnen sehr komplexe biochemische Vorgänge, die in Bruchteilen von Sekunden ablaufen. Wird dem Patienten Minuten später das Blut zurückinfundiert , ist das Ozon bereits verbraucht, das Blut „aktiviert“. Als erste Reaktion findet eine Ozonolyse statt, in der das Ozon mit Phospholipiden der Zellmembran reagiert. Es bilden sich Ozonperoxide,die für die pharmakologischen Wirkungen des Ozons verantwortlich sind. Sie gelangen zumindest teilweise in den intrazellulären Raum und beeinflussen den Zellstoffwechsel. Reaktionspartner sind in erster Linie Schwefelwasserstoffgruppen, hier vor allem die von reduziertem Gluthation und Cystein. Diese Reaktionen führen zur Unschädlichkeit der Ozonperoxide, die für die Zelle einen moderaten oxidativen Stress darstellen. Die Folgereaktionen, die daraus entstehen, sind für den Körper aber überaus positiv. So kommt es durch die Oxidation des reduzierten Gluthations, das in seinen Hauptfunktionen (neben zahlreichen anderen kleineren Funktionen) zu den stärksten Antioxidantien im Körper gehört und sehr wichtig für die Entgiftungsfunktion der Leber ist, zu einer Signalübertragung, die über den Transkriptionsaktivator Nrf2 (ein Schlüsselregulator in der Zellabwehr) antioxidative Enzyme reguliert, die Mitochondrienfunktion (die Zellkraftwerke der Zellen, die lebensnotwendige Energiemoleküle bilden) verbessert und die Autophagiefähigkeit der Zelle (altes und schädlich verändertes Material wie fehlgefaltete Proteine oder beschädigte Zellorganellen zu entsorgen) stimuliert. Über den Transkriptionsfaktor NF-kB, einem zentralen Botenstoff im Immunsystem, wird eine Immunmodulation erreicht. Immunzellen produzieren verstärkt spezifische Botenstoffe wie Interferon-Gamma, das die zelluläre Immunabwehr stimuliert und unterstützt und Interleukine, z.B. IL 2, die T-Lymphozyten aktivieren, eine Untergruppe der weissen Blutkörperchen, die Krankheitserreger wie Bakterien, Viren und Pilze bekämpfen. Gleichzeitig wird die Produktion anderer Interleukine, die z.B. Entzündungen fördern, gebremst.
Diese biochemischen Prozessen erklären die Einsatzgebiete einer Großen Ozoneigenblutbehandlung:
Virale Infekte können positiv beeinflusst werden, z. B der Herpes zoster, die Gürtelrose. Die akuten entzündlichen Hautveränderungen mit Bläschen fürchten wir nicht, diese sind mit einem Medikament in Tablettenform, über eine Woche 5x täglich eingenommen, gut zu heilen. Was wir fürchten sind die postherpetischen Neuralgien, also Nervenschmerzen, die über lange Zeit auftreten können, wenn die Hautveränderungen schon längst abgeheilt sind. Deshalb ist eine rasche und wirksame Unterstützung des Immunsystems sinnvoll.
Hervorragende Erfahrungen haben wir in der Praxis gemacht bei verzögerter Rekonvaleszenz, also einer längerandauernden Erholungsphase nach einem Infekt, in der es nicht so recht voran geht, die Patient*innen müde und erschöpft und in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Hierbei kombinieren wir die Ozontherapie oft mit Mikronährstoffen wie z. B. Vitamin C als Infusion in einer höheren Dosierung. 2-3 grosse Eigenblutbehandlungen/Woche, insgesamt 10 Therapien sollen durchgeführt werden, um den Körper nachhaltig zu unterstützen. Eine Infektanfälligkeit kann deutlich reduziert werden.
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises profitieren von der Immunmodulation. Auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind eine Domäne der Ozontherapie. Hier hat sich die Darminsufflation, also eine Einbringung des Ozons in den Darm als sinnvoll erwiesen. Zur Schmerztherapie werden kleine Ozonmengen und niedrige Ozonkonzentrationen bei Muskelverspannungen und chronischen Muskelschmerzen lokal, also an die schmerzenden Stellen, gespritzt, häufig kombiniert mit Neuraltherapie und Akupunktur. Auch intraartikuläre Injektionen, also Injektionen in die Gelenke, z. B. bei Kniegelenksarthrose sind möglich zur Aktivierung des Knorpel-Zellstoffwechsels, dies bleibt aber Orthopäden oder Unfallchirurgen vorbehalten.
Ein wichtiger Einsatzbereich ist die komplementäre Onkologie, hier lässt sich die Ozon-Eigenblutbehandlung als Zusatztherapie bei Krebserkrankungen einsetzen, dies immer in Absprache mit den behandelnden Onkologen. Induktion und Aktivierung der zellulären Antioxidantien und Radkalfänger der gesunden Zellen und Organe wirken dem Überschuss an reaktiven und aggressiven Sauerstoffradikalen entgegen und bauen einen Zellschutz auf, z.B. als Schutz vor Nebenwirkungen bei Bestrahlung und Chemotherapie.
Unter Nutzung aller Eigenschaften des medizinischen Ozons (verbesserte Versorgung des Organismus mit Sauerstoff (auch bei Durchblutungsstörungen des Gehirns), Mobilisierung des Immunsystems und Aktivierung der körpereigenen Antioxidantien und Radikalfänger) können ältere Patienten sehr von einer Ozontherapie profiteren. Last but not least kann eine Ozontherapie auch zur Regeneration und Revitalisierung in Zeiten hoher Stressexposition mit grosser geistiger und körperlicher Anspannung beitragen.
Wie oft und wieviel?
In der Regel sind 10 Behandlungen notwendig und sinnvoll, um eine längeranhaltende Umstimmung und Regulation des Organismus zu erzielen. Diese werden 2-3x/Woche durchgeführt, oft beginnen wir mit 2 Therapien/Woche über 3 Wochen und reduzieren dann auf 1x/Woche, bis 10 Behandlungen komplett sind. Dabei bewegen wir uns immer im Niedrigdosisbereich und steigern aber in diesem die Ozonmenge. Oft ist es sinnvoll, 2x/Jahr eine Infusionsserie oder 1x alle 4 Wochen eine Therapie durchzuführen.
Die Ärztliche Gesellschaft für Ozonanwendung in Prävention und Therapie bietet regelmässig Fortbildungen an, präsentiert neue Studien und Forschungsergebnisse und ermöglicht einen fachlichen Austausch. In 2023 fand in Mailand der 26th Ozone World Congress statt, veranstaltet von der Internation Ozone Assoziation, die weltumspannend Begegnung und Austausch ermöglichte. Von Januar bis Dezember 2023 bot die Universität Verona ein Master Curriculum zum Thema: „Oxygen-ozone therapy in medical practice, from basic mechanisms to treatment“ an.
Für uns ist die Ozontherapie in unserer Hausarztpraxis ein wichtige komplementär- und regulationsmedizinische Behandlungsform geworden.
© Dr. Nicole Lion-Mock